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Die Produktion „spricht“!

Mrz 14, 2020

In der Automobilindustrie ist die Null-Fehlerstrategie ein anerkanntes Ziel, was von allen OEMs also allen Automobilherstellern und allen Zulieferunternehmen, seit Jahren konsequent verfolgt wird. Ohne Zweifel hat dieses Vorgehen eine deutliche Verbesserung der Qualität bewirkt und sie so erfolgreich gemacht. Null Fehler dürfte dennoch kein Hersteller oder Zulieferer erreicht haben. Dieses Ziel gerade deshalb konsequent weiter zu verfolgen, trotz des Wissens, dass Fehlerfreiheit nicht zu erreichen ist, ist absolut richtig! Auf diese Weise werden alle Kräfte und Ressourcen darauf ausrichtet ständig besser zu werden. Es ist das Paradigma, die Philosophie, die dabei entscheidend ist. Warum also diesen Gedanken nicht auf andere Themen ausweiten? Wer Ziele konsequent verfolgt, ohne diese anzuzweifeln, wird ohne Frage mehr erreichen, als jemand der sich nicht auf diesen Weg begibt.

Weshalb also die Vorgehensweise nicht auch auf die kleinste Einheit des Unternehmens übertragen; auf die Mitarbeiter. Ziel muss es deswegen sein, jeden Mitarbeiter ständig weiterzuentwickeln und zu stärken, um ihn zu befähigen, alles was für seine Tätigkeit relevant ist so weit zu durchdringen, dass er jederzeit Abweichungen die zu Fehlern und Gefahren führen können bemerkt. Auf diese Weise wird er in der Lage sein, schon bevor ein Ereignis auftritt, gegenzusteuern und es so zu verhindern, oder sich entsprechende Unterstützung zu holen.

Als ich vor einigen Jahren das erste Mal das Buch von Mike Rother und John Shook „Sehen Lernen“ (2011) in den Händen hielt, rätselte ich warum sie diesen Titel auswählten. Nach dem ich mich einige Jahre mit dem Thema Lean Management auseinandergesetzt hatte, wurde mir klar, welche Tragweite dieser Titel eigentlich hat. Was würde es bedeuten, wenn jeder Mitarbeiter im Unternehmen „sehen lernen“ würde und nicht nur die, die dafür speziell ausgebildet wurden?

Wenn Sie sich damit näher beschäftigen, oder es bereits getan haben, werden Sie bemerken, dass die Fertigung „spricht“ und man sie auch „hören“ kann, wie ich immer sage. Natürlich gilt das nicht nur für die Fertigung, sondern für alle Bereiche eines Unternehmens.

Wer also die Sprache der Fertigung versteht, wird oft schon weit vor einem Ereignis, wie beispielsweise einer Störung, dies bemerken und gegensteuern können. Übertragen auf den Mitarbeiter folgt daraus, dass dezentral zu jederzeit ohne Verzögerung, dieses Potenzial genutzt werden sollte und kann. Selbst wenn es, wie bei der beschriebenen Null-Fehler-Strategie, wahrscheinlich niemals vollständig umsetzbar ist, ergibt sich hieraus eine Herangehensweise, die mit vielen kleinen Schritten einen erheblichen Unterschied macht.

Ein Beispiel aus der Praxis verdeutlichte mir dies auf eindrucksvolle Weise. Bei einem Automobilzulieferbetrieb befanden wir uns in einer angespannten Hochlaufphase eines neuen Produkts. Die neue Produktionsanlage war sehr komplex und das Produkt anspruchsvoll. Somit kam es noch zu vergleichsweise hohem Ausschuss und es musste eine gesonderte Qualitätsprüfung stattfinden. Bei einem Produktionsrundgang, viel mir eine Pumpe auf, die für mein Verständnis auffällige Geräusche machte. Bislang war das noch niemandem aufgefallen. Also rief ich unseren Instandhaltungsleiter an und bat ihn sich das anzusehen. Er bestellte noch am gleichen Tag eine Ersatzpumpe, da das Ersatzteilpaket noch nicht am Lager war, konnten wir den Austausch nicht unmittelbar durchführen.

Am Folgetag befand ich mich auf einer Dienstreise. Unterwegs erhielt ich einen Anruf des Instandhaltungsleiters, der mir mitteilte, dass die Pumpe ausgefallen sei. Die Folge waren 1,5 Tage Produktionsausfall in einer ohnehin kritischen Liefersituation. Wären die Mitarbeiter, die an dieser Anlage gearbeitet haben, in der Lage gewesen dies zu erkennen, hätten wir den Produktionsausfall vermeiden können. Wer sich intensiv mit TPM (Total Productive Maintenance) auseinandersetzt, kennt dieses Phänomen. TPM stellt aus meiner Sicht eine hervorragende Möglichkeit dar, hier eine entsprechende Sensibilität der Mitarbeiter herzustellen.

Übertragbar ist dieses Beispiel auf jedwede Art von Produktion oder auch Prozess. Allerdings ist für diesen Weg ein Umgang mit den Mitarbeitern erforderlich, der sie stärkt und der ihnen ermöglicht ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Als positiver Nebeneffekt, wirkt sich dieses Vorgehen, deutlich motivationssteigernd aus.

Die unzähligen kleinen und großen Verbesserungen, also Störungen und Ausfälle die erst gar nicht auftreten, tragen somit, ähnlich wie beim KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess), zu einer erheblichen Verbesserung des Gesamtergebnisses bei. Alleine das sollte Grund genug sein, diesen Sachverhalt entsprechend zu berücksichtigen.
Hinsichtlich der Belange der Aufgabenerfüllung spielt eine wichtige Rolle, welchen Einfluss die Führungskräfte auf die Wahrnehmung ihrer Mitarbeiter nehmen.

Das wahrgenommene Bild, ist im Gegensatz dazu was der Realität wirklich entspricht, das Ergebnis eines aktiven Verarbeitungsprozesses, bei dem auf der einen Seite das Filtern und die Bewertung einer Information, sowie das Verknüpfen mit bereits vorhandenem Wissen und Erfahrungen, stattgefunden hat. Die Repräsentation, also das subjektive Abbild der Realität, ist somit sehr individuell und entspricht ihr keineswegs (David G. Myers, 2004, 2008).

Neben der Qualifikation, hat besonders auch die jeweilige Persönlichkeit Einfluss darauf wie von jemandem etwas wahrgenommen wird (Richard J. Gering, Philip G. Zimbardo, 2008) Da sich diese Einflussfaktoren von einer Führungskraft nicht durch Beobachtung erschließen lassen, ist auch hier das Gespräch mit dem Mitarbeiter unerlässlich. Sicherlich ist es, je nach Größe des Unternehmens, nicht möglich mit jedem Mitarbeiter ein Gespräch zu führen, aber es bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, mit Mitarbeitern informell ins Gespräch zu kommen und so einen guten Eindruck zu erhalten.

Aus diesem Sachverhalt heraus, ergibt sich die Notwendigkeit die Führungskräfte zu sensibilisieren und dahingehend zu entwickeln. Immer wieder habe ich erlebt, wie vorwiegend Leiharbeitern Aufgaben zugeteilt wurden, für die sie nicht geeignet waren. Geringe Einarbeitung und wenig Betreuung, führten dann meist zu einem unbefriedigenden Ergebnis. Schnell hieß es dann „der Mitarbeiter ist nicht geeignet und muss getauscht werden“ und das obwohl es schwierig war geeignete Leiharbeiter zu bekommen. Zuvor hatte niemand mit dem Mitarbeiter gesprochen und gefragt, was er eigentlich für Erfahrungen mitbringt und welche Tätigkeiten er bis dahin durchgeführt hat. Zwar gab es ein Profil des Verleihers und vielleicht auch noch zu Beginn ein kurzes Gespräch, aber das war längst vergessen.

Bevor also diese Mitarbeiter ersetzt wurden, ging ich auf sie zu und befragte sie nach ihrem beruflichen Werdegang. In sehr vielen Fällen kam dabei heraus, dass wir genau diese Qualifikation an einer anderen Stelle schon länger suchten und der Mitarbeiter vollkommen falsch eingesetzt wurde. An anderer Stelle machte dieser Leiharbeiter nun über lange Zeit einen überaus guten Job und fühlte sich ganz nebenbei sehr wohl damit.

Zu erwähnen sei noch, dass ein Mitarbeiter in den ersten Tagen durch die Eindrücke, von dem für ihn neuen Unternehmen, schnell reizüberflutet wird und zudem durch den Stress des „Jobwechsels“ nur begrenzt aufnahmefähig ist. Hierdurch kommt es bei der Einweisung dazu, dass er vieles von dem was ihm vermittelt wird, nicht aufnehmen kann. Es ist also behutsam vorzugehen und immer wieder zu überprüfen, was und wie viel beim Mitarbeiter wirklich angekommen ist. Wird dies nicht beachtet, kann schnell der Eindruck entstehen, dass der neue Mitarbeiter nicht besonders aufnahmefähig ist. An dieser Stelle möchte ich den Hinweis auf das Rollenverständnis machen. Nicht nur die Führungskraft wird den negativen Eindruck vom Mitarbeiter bekommen, sondern auch der Mitarbeiter von sich selbst und er wird dadurch an Selbstvertrauen verlieren und die Rolle des „schlechten“ Mitarbeiters einnehmen, was unbedingt zu vermeiden.

An diesen Ausführungen sollte zu erkennen sein, dass nicht alles so ist wie es auf den ersten Blick aussieht und ein vordergründig technischer Aspekt, eng mit den Mitarbeitern im Unternehmen verbunden ist.

Quelle:
Mike Rother und John Shook (2011) Sehen Lernen, Lean Management Institut
David G. Myers (2004, 2008), Psychologie, Springer Medizin Verlag Heidelberg
Richard J. Gering, Philip G. Zimbardo (2008), Psychologie, Pearson Deutschland GmbH.

 

Für die bessere Lesbarkeit, verzichte ich bei meinen Blogbeiträgen auf die gleichzeitige Verwendung aller Geschlechter.
Selbstverständlich beziehen sich alle Personenbezeichnungen auf jedes Geschlecht.

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